Am 26.4.24 bekam die Klasse 11b Besuch von Herrn Gerd Eckhard Boßmann, Jahrgang 1940, der anschaulich über Flucht und Vertreibung im Jahr 1944 berichtete. 1944 musste er mit seiner Mutter aus Ostpreußen flüchten und gelangte über etliche Stationen bis nach Schleswig-Holstein. Der Vater fiel noch in den letzten Kriegstagen.

Über seine eigenen Erinnerungen von der Flucht und über die Erzählungen seiner Mutter berichtete Herr Boßmann der Klasse seiner Enkelin Jule Martin eine Schulstunde lang. Von Flucht und Vertreibung 1944-48 waren nach seiner Aussage 1,95 Millionen Menschen betroffen, von denen er nur einer war und 1000km mit Pferdewagen und zu Fuß über mehrere Monate zurücklegte, um vor der Roten Armee und den ebenfalls vertriebenen Polen in Sicherheit zu sein. Die Einheimischen in Schleswig-Holstein waren anfangs solidarisch, dann aber wurden die Dazugekommenen lästig und waren doch wegen ihres Dialektes fremd. Auch wurden die Geflüchteten mit der Erzählung konfrontiert, sie hätten den Krieg verloren. Sogar rassistisch wurde Herr Boßmann beleidigt, da die Ideologie der Nazis immer noch nachwirkte und er schwarze Haare hatte. Erst das Wirtschaftswunder half beim Zusammenwachsen. Nach dem Vortrag stellte die Klasse noch viele Fragen, die alle mit interessanten und auch berührenden Details beantwortet wurden.

In der 9a wurde am 30.4.24 auch eine Zeitzeugin befragt: Frau Ridi Hollmann, Jahrgang 1938, die als kleines Mädchen mit ihrer Mutter nach Traunreut gelangte, nachdem sie aus Neubistritz im Sudentenland hatte fliehen müssen. Der Vater hatte den Krieg überlebt und war mit der Aussicht auf eine Stelle in der Giftbeseitigung der Muna in das spätere Traunreut gezogen. Dort waren während der Krieges Giftgaskartuschen befüllt worden. Die Anlage der Straßen in Traunreut mit dem Traunring stammt noch aus der Kriegszeit. Auf dem Muna-Gelände lebten die Menschen zunächst in den Baracken der Kampfstoffarbeiter und wurden streng bewacht. Das Gelände durfte auch die kleine Ridi nur mit einem Passierschein verlassen, den sie der Klasse zeigte. Der Name der Stadt war 1949 das Ergebnis einer Abstimmung der 169 Einwohner des Geländes. Mit knapper Mehrheit wurde „Traunreut“ vor „Georgenstadt“ und „Heimstadt“ ausgewählt. An ihre Aufnahme in der neuen Heimat hat Ridi Hollmann überwiegend positive Erinnerungen, wenn sie auch einige Male als Zugewanderte verspottet wurde. 

Beide Zeitzeugen haben mit ihren lebendigen Schilderungen und ihrem großen Wissen viel zum besseren Verständnis von Geschichte und Gegenwart beigetragen. Die Fachschaft Geschichte bedankt sich sehr herzlich. 

OStRin I. Geck und StDin S. Hollmann