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„Es ist wichtig, in Kontakt zu bleiben“, rät Claudia Bork vom Johannes-Heidenhain- Gymnasium im Umgang mit sozialen Medien wie WhatsApp, Facebook und Co. Die Lehrerin leitet zusammen mit ihrer Kollegin Sandra Rose das Streitschlichter-Programm des Traunreuter Gymnasiums und leistet dadurch aktiv Prävention gegen Mobbing – online wie offline. 

Grundsätzlich gebe es am Johannes-Heidenhain-Gymnasium vergleichsweise wenig Probleme mit Mobbing, findet Schulleiter Matthias Schmid. Kommt es doch zu einem Zwischenfall, greifen die Streitschlichter ein. Ungefähr 20 Schüler von der achten bis zur zwölften Jahrgangsstufe sind aktuell für das Projekt an der Schule aktiv. Sie übernehmen Pausendienste, leiten so genannte „Klassenklimakonferenzen“ und schulen Jüngere im verantwortungsvollen Umgang mit sozialen Medien. „Das reicht vom Schimpfwörter-ABC bis zur Frage: Welche Rechte habe ich an meinen Worten und Fotografien?“, erzählt Claudia Bork. 

Smartphones verstärken das Mobbingproblem unter den Schülern, muss sie immer wieder feststellen. Bork vermutet: „Es ist einfacher geworden. Ich muss dem anderen dabei nicht mehr in die Augen schauen.“ 

Eltern, die sich wegen der Mediennutzung ihrer Kinder Sorgen machen, rät die Lehrerin: „Sie sollten versuchen, mit ihren Kindern im Gespräch zu bleiben und sich regelmäßig zeigen lassen, was über die sozialen Netzwerke ausgetauscht wird – alles auf freiwilliger Basis.“ 

Der richtige Umgang sei eine Gratwanderung. Von Kontrolle hält sie wenig. Ähnlich steht die Gymnasiallehrerin zum Vorschlag des Präsidenten des Deutschen Lehrerverbandes Heinz-Peter Meidinger, der im Interview mit der Heimatzeitung eine Altersgrenze für WhatsApp von 16 Jahren vorschlug. „Das wäre zwar schön, lässt sich aber in der Realität leider nicht umsetzten“, sagt Bork. 

Sie setzt bei ihren Schülern auf Sensibilisierung. Dass dieser Ansatz wirkt, zeigte sich in diesem Jahr in einer sechsten Klasse. In einer klasseninternen WhatsApp-Gruppe fielen Beleidigungen. Eine Schülerin berichtete ihrer Mutter von dem Vorfall und die wendete sich wiederum an Claudia Bork. Als die Lehrerin das Gespräch mit ihren Schülern suchte, stellte sie fest, dass diese bereits ihre eigenen Konsequenzen aus dem Vorfall gezogen hatten: „Die Administratorin der Gruppe erklärte mir, dass sich die Klasse darauf geeinigt habe, den Schüler, von dem die Beleidigungen ausgegangen waren, für drei Tage aus der Gruppe auszuschließen.“ Dieser Zwischenfall hat die Pädagogin sehr beeindruckt. „So ein sensibler Umgang mit dem Thema Mobbing ist für eine sechste Klasse nicht selbstverständlich“, sagt sie. Gerne würde Claudia Borg das Streitschlichter-Projekt in Zukunft auch als Wahlfach anbieten. „So hätten wir die Möglichkeit, uns einmal pro Woche zu treffen. Im Moment können wir aus Zeitmangel viele Dinge nur oberflächlich behandeln.“ 

Obwohl man auch an der Mittelschule Traunreut auf Prävention in Sachen Medienkompetenz setzt, kommt es hier häufig zu Beleidigungen und Beschimpfungen unter den Schülern, wie Schulleiter Dieter Flessa berichtet. Streit und Hänseleien habe es immer schon gegeben. Aber der Schulleiter, der seit 1988 an der Traunreuter Mittelschule unterrichtet, bemerkt, dass sich die Art und Weise, wie die Schüler ihre Konflikte untereinander austragen, durch Smartphones und die sozialen Medien stark verändert hat. „Früher wurden solche Dinge wahrscheinlich auf dem Nachhauseweg geregelt, aber heute redet ja keiner mehr mit dem anderen“, beklagt er. In Chat-Gruppen fallen dann sämtliche Hemmungen, und dann kommt es teilweise zu üblen Beleidigungen. 

Wenn Eltern auf ihn zukommen, verweist er sie meist direkt weiter an die Polizei. Denn: „Als Lehrer sind uns da die Hände gebunden. Wir dürfen die Handys zwar vorrübergehend beschlagnahmen, aber nicht durchsuchen. Das darf nur die Polizei.“ 

Bei der Polizeiinspektion Traunreut habe man es allerdings nur sehr selten mit Fällen von Cyber-Mobbing zu tun, berichtet der stellvertretende Stationsleiter Christian Scholz. Ein größeres Problem im Zusammenhang mit den neuen Medien trete dagegen bei Nacktfotos auf, die ohne Einverständnis der Betroffenen weiter verschickt werden. Dieses Phänomen beschränke sich allerdings nicht auf Schüler, sondern betreffe Täter und Opfer „jeder Sparte und jeden Alters“. 

Scholz findet, eine Anzeige sollte das letzte Mittel der Wahl im Umgang mit Mobbing sein. Kindern unter 14 Jahren drohten keine strafrechtlichen Konsequenzen, da diese als strafunmündig gelten. Außerdem könne der Gang zur Polizei die Ursache des Konflikts nicht lösen. Scholz rät Eltern, „erst einmal Lehrer, Klassensprecher oder Streitschlichter mit ins Boot zu holen und sich mit allen Parteien gemeinsam an einen Tisch zu setzen.“ Außerdem habe grundsätzlich jeder die Möglichkeit, unerwünschte Kontakte in Online-Nachrichten-Diensten zu blockieren und sich so der Situation zu entziehen. 

Außerdem sieht er die Eltern in der erzieherischen Verantwortung, ihre Kinder aktiv zu begleiten und auch deren Handys zumindest stichprobenartig zu überprüfen. Eine zu hohe Hemmschwelle sei hier nicht angebracht. 

Quelle: Traunreuter Anzeiger

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